Mündliche Verhandlung über die Verfahren gegen die 3. Start- und Landebahn am Flughafen München

Seit dem 20. März laufen die mündlichen Verhandlungen über die Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss zur 3. Start- und Landebahn am Flughafen München vor dem Verwaltungsgerichtshof in München. Herbert Knur berichtet von den einzelnen Verhandlungstagen.

Der hier dargestellte Abstrakt wurde dem Redemanuskript von Herrn Knur, Bürgermeister der Gemeinde Berglern, entnommen.

Siedlungsgeschichte und derzeitige Lage

Berglern liegt mit Hauptort und den Ortsteilen Glaslern, Mitterlern und Niederlern an der Naht zwischen dem Erdinger Moos und tertiärem Hügelland. Die günstige Lage führte früh zur Besiedlung

  • rund 6.000 Jahre Siedlungsgeschichte nachweisbar
  • Funde aus der Steinzeit
  • Funde aus der Zeit der Römerwanderung (2. Jhdt)
  • Funde aus der Merowingerzeit (Mitte des 7. Jhdt)

Erste urkundliche Erwähnung in den Freisinger Traditionen unter Bischof Otto von Freising (783 bis 793).
Vor 20 Jahren (1993) 1200 Jahrfeier.

Berglern ist ein Straßendorf, mit rund 3,5 km Länge eines der längsten in Bayern. Derzeit rund 2.600 Einwohner.

Berglern ist das Zentrum und es ist ein gewachsenes Dorfzentrum mit

  • Grundschule mit derzeit 7 Klassen (nachgewiesen seit dem Ende des 18. Jhdt)
  • Pfarrkirche (gotisch und 1734/35 barockisiert)
  • Pfarrhof (wohl um die Mitte des 19. Jhdt.)
  • Kindergarten Zwergerlhaus (seit 1993) - dzt. Zwei Krippen- und drei Kindergartengruppen mit 90 Kindern
  • Kinderhaus „Die Strolche“ mit dzt. einer Kindergarten und einer Hortgruppe mit rund 50 Kindern. Ein Neubau wird derzeit erstellt und im Januar bezugsfertig: 2 Krippengruppen, 1 Kindergartengruppe und 2 Hortgruppen.
  • Sportgelände mit 2 Fußballplätzen, 3 Tennisplätzen, 3 überdachten Stockschützenbahnen, 1 Sport- und Schützenheim mit 18 Schießständen (2 Vereine) und einziger Gaststätte am Ort.

Lärmbelastungen beim Betrieb der 3. Start- und Landebahn auf der planfestgestellten Lage

Derzeit tagsüber (Referenzjahr 2008)

  • Schule 50,2 dB(A)
  • Kindergarten Zwergerlhaus 51,4 dB(A)

Damit schon jetzt relativ starke Belastung.

Die Anflugstrecke auf die geplante Bahn geht über unser Dorfzentrum mit den schützenswerten Einrichtungen, die ich genannt habe. Der Aufsetzpunkt liegt ungefähr 6.000 m entfernt. Die Überflughöhe liegt demgemäß bei rund 300 Metern über Grund. (Exkurs: Ob dies zulässig ist, nachdem in § 6 Abs. 1 LuftVO eine „Sicherheitsmindesthöhe“ von 300 Metern genannt ist und diese Sicherheitsmindesthöhe sich aber an dem höchsten Hindernis zu orientieren hat, das sich im Umkreis von 600 Metern befindet, kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls steht die Berglerner Pfarrkirche innerhalb dieses Kreises von 600 Metern, sie steht auf einem Hügel und der Turm ragt 37 Meter in die Höhe.)

Die gemittelte Lärmbelastung (Dauerschall) im Planungsfall 2020 ist von Obermeyer errechnet

  • Schule 63,4 dB(A), das sind um 13,2 dB(A) mehr als im Referenzjahr 2008
  • Kindergarten 63,2 dB(A), das sind um 11,8 dB (A) mehr als im Referenzjahr 2008

Für die Wohnlagen in Mitterlern ergibt sich eine Steigerung von 45,5 dB(A) auf 59,0 (+ 13,5) und in Niederlern von 45,2 auf 58,1 (+ 12,9) dB(A).

Der Dauerschall für Schule und Kindergärten liegt bei über 63 dB(A). Damit dürften wir keine neue schützenswerte Einrichtung in diesem Bereich mehr bauen, die vorhandenen müssen aber weiter genutzt werden. Wir liegen mit diesen Einrichtungen in der Tagschutzzone 1 und haben wohl Anspruch auf Ersatz von Schallschutzaufwendungen nach den Kriterien für die Tagschutzzone. Das Schutzziel ist dabei niedriger als für Anspruchsberechtigte in der Nacht-Schutzzone.

Derzeit schlafen aber in unserer Kindertagesstätte „Zwergerlhaus“ täglich 32 Kinder. Im kommenden Kindergartenjahr werden es nicht weniger, eher noch mehr.

Das Problem des Lärmschutzes in Schlafräumen, die tagsüber genutzt werden, ist im FluLärmG nicht geregelt und das Problem ist auch nicht im Planfeststellungsbeschluss geregelt. Ich finde, dass das Gesetz hier eine Lücke aufweist und ich finde, dass es für die Planfeststellungsbehörde möglich gewesen wäre, diese Lücke durch eine Entscheidung im Planfeststellungsbeschluss zu schließen.

Mit einer finanziellen Entschädigung ist das Problem nicht zu lösen. Es geht darum, dass die Kinder schlafen müssen und bei der prognostizierten Belastung möglicher Weise nicht schlafen können.

Baubeschränkungen

Derzeit liegen nur geringe Teile der Gemeinde Berglern innerhalb von Baubeschränkungszonen.

Siehe Obermeyer „Schalltechnische Untersuchung - Fluglärm; Neuberechnung auf der Grundlage der 1. FlugLSV vom 27. Dezember 2008“; Kartenteil SAL_A_01

Anschaulicher bei Müller BBM, Kartenmaterial zum ROV

Künftig soll der gesamte bebaute Bereich der Gemeinde Berglern nach Methode Obermeyer in Baubeschränkungszonen liegen:

  • Berglern und Teile von Mitterlern in der Tagschutzzone 1 - 60 dB(A) und mehr Dauerschall (Bauleitplanung für die Gemeinde nur mit Ausnahmegenehmigung)
  • Der Rest von Mitterlern und ganz Niederlern liegen in der Tagschutzzone 2 - 55 dB(A) und mehr Dauerschall (Bauleitplanung nach FluLärmG zulässig, nach LEP aber derzeit nur unter erschwerten Bedingungen, dies wird sich auch in Zukunft nicht ändern)
  • Glasern liegt voll im Nachtschutzgebiet - Bauleitplanung zur Wohnbebauung damit nicht zulässig.

Schlussfeststellung

Attaching-Mitte und -Süd sind wegen der Nähe zur An- und Abflugstrecke der neuen Bahn stärker betroffen als Berglern, wenn diese Bahn beflogen wird.

Für den Flughafen In unserer Region gibt es jahreszeitlich zu zwei Dritteln Westbetrieb, das heißt, die Flugzeuge starten Richtung Westen und landen von Osten. Nachdem die neue Bahn vorwiegend für Landungen genutzt werden soll, fliegen doppelt so oft Flugzeuge über unser Dorfzentrum, wie über das Zentrum von Attaching.

Ich will damit die Belastungen der Einwohner von Attaching keineswegs klein reden oder relativieren. Diese Belastungen werden grausam sein.

Ich will allerdings darauf aufmerksam machen, dass auch in Berglern Menschen, vor allem viele Kinder, mit mir unzumutbar erscheinenden Lärmbelastungen belastet würden, wenn die Planungen umgesetzt würden.

Den Betroffenen nützt es wenig, wenn der Bundesgesetzgeber - auf den in der Erwiderung jetzt sicher hingewiesen werden wird - diesen Lärm unter kräftiger Mithilfe der Luftverkehrslobby zu zumutbar erklärt hat. Den Betroffenen helfen auch keine Mitleidsbekundungen. Ihnen hilft nur ein Verzicht auf diese 3. Bahn.

Herbert Knur
Bürgermeister der Gemeinde Berglern